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Ich denke, da wird wahrscheinlich „brauchen“ mit „wollen“ verwechselt. Wenn Sie Ihren Hund täglich um dieselbe Zeit füttern, fängt er selbstverständlich an, täglich etwa um diese Zeit jede Ihrer Bewegungen aufmerksam zu beobachten. Er schleicht Ihnen ständig hinterher oder sitzt sogar schon in der Küche und kratzt am Schränkchen. Den leeren Napf lecken oder rumschubsen ist auch recht beliebt. Und das Ganze natürlich mit dem Blick eines in fünf Minuten Sterbenden. Der braucht jetzt unbedingt etwas zu fressen, alles andere wäre die reine Tierquälerei. Tatsächlich „brauchen“ tun es die meisten in dem Moment nicht, aber sie haben Appetit, sind es so gewohnt und fordern es entsprechend ein. Sie können ja mal die leckeren „Tuning-Beigaben“ (Entschuldigung, da unterstelle ich etwas) weglassen und nur reines Trockenfutter hinstellen. Mindestens die Hälfte der „Hungernden“ schaut daraufhin entsetzt in den Napf und dreht ab. „Nee, so hab ich mir das nicht vorgestellt!“
Und wirklich drollig ist, dass sie dann normalerweise, den vollen Napf mit dem reinen Trockenfutter ignorierend, dieselbe Show wieder abziehen. Sie schleichen ständig hinterher, kurz vor dem Hungertod.
Haben bestimmte Typen Hunde mal „spitz gekriegt“ wie der Stundenplan aussieht, kann es wirklich nervig werden. Da bricht schon die helle Aufregung aus, nur weil es gleich Neun ist. Und wehe ich gehe los und hole die „Gassi-Schuhe“. Da gibt es kein Halten mehr. Würde jetzt das Telefon klingeln, lässt man den Hörer besser liegen. Man würde eh nichts verstehen. Natürlich freut sich der Hund auf die große Runde. Aber dieser Zinnober ist in erster Linie das Ergebnis fester Routinen, kombiniert mit bestimmten Signalen (Schuhe anziehen, Schlüssel oder Leine nehmen, usw.). Bei manchen Hunden, mit denen nach dem Frühstück immer rausgegangen wird, reicht schon das Geräusch mit dem die leere Kaffeetasse auf dem Unterteller abgestellt wird. „Jetzt bist Du aber fertig, ich hab’s genau gehört!“
Im Grunde ist das mit dem festen Tagesablauf ja alles nicht so schlimm. Ein solcher hilft auch uns Menschen dabei, einen gewissen Rhythmus zu leben. Sie sollten sich aber darüber im Klaren sein, dass es eigentlich nicht der Mensch sein sollte, der sich dem Leben des Hundes anpasst, sondern umgekehrt. Stundenpläne sind nicht selten das Ergebnis erfolgreicher Erziehung. Aber der Erziehung des Menschen durch den Hund. Zusätzlich den Eindruck zu vermitteln, es unbedingt so zu „brauchen“, ist fast schon genial. Nach dem Motto „Du machst jetzt was ich will, sonst wird Dich Dein schlechtes Gewissen quälen!“ Schade, dass das umgekehrt mit dem „Sitz!“ so nicht funktioniert. Denn Hunde haben nun mal kein „schlechtes Gewissen“, aber dazu mehr in einer anderen Mythen-Folge.
Wer Autoritätsprobleme mit seinem Hund hat, der sollte sich vor starren Tagesabläufen hüten, die sich an den Bedürfnissen des Hundes orientieren. Denn sie vermitteln den Eindruck, der Hund stünde im Mittelpunkt des Interesses und alles andere müsse sich nach ihm richten. Menschen, die bereits frühzeitig nervös auf die Uhr schauen, weil ein „Bedürfnisbefriedigungszeitpunkt“ des Hundes naht, haben nach meiner Erfahrung so gut wie immer Erziehungsprobleme. Denn der Hund hat in bedenklicher Form die Kontrolle über seinen Menschen und sein Leben gewonnen. Und jede Abweichung vom Gewohnten wird mit Sicherheit sofort moniert.
Ein anderer Nachteil fester Routinen ist die daraus resultierende Unflexibilität. Hund und Mensch sind buchstäblich darin gefangen. Und wenn sich, aus welchen Gründen auch immer, etwas ändert, wird es sehr schwierig und Stress beladen. So etwas färbt auch auf den gesamten Charakter ab. Es entsteht ein „sturer Hund“ im wahrsten Sinne des Wortes. „Nö, also um diese Zeit haben wir das aber sonst nie gemacht!“ Wie soll denn ein Hund so etwas vorteilhaftes wie Flexibilität und Anpassungsfähigkeit entwickeln, wenn jeder Tag wie der andere abläuft. Wenn ich einen solchen Hund mal für ein paar Tage bei den Nachbarn lassen muss, geht das in keinem Fall ohne ausführliche schriftliche „Bedienungsanleitung“, die selbstverständlich auch einen Stundenplan enthält. Streng genommen ist das doch unzumutbar.
Im Gegensatz dazu sind Hunde, die morgens noch nicht wissen „wie der Hase läuft“, deutlich flexibler, aufmerksamer und anpassungsfähiger. Und ich als Mensch bin viel interessanter, weil ich nicht so berechenbar bin. Und der Butler, der täglich um Punkt 4 den Tee serviert, bin ich schon gar nicht.
Hunde haben eine sensationelle Anpassungsfähigkeit. Sie können sehr schnell lernen und sich an Veränderungen anpassen. Wie kommt man nur darauf, dass ausgerechnet diese Tiere einen lebenslangen festen Tagesablauf brauchen? Das stumpft doch eher ab, macht träge und geistig unbeweglich. Das ist langweilig. Aber das gilt in gleicher Weise für den Menschen. Auch wir sind im Vergleich extrem anpassungsfähig, verharren aber gerne im Bekannten, wenn uns niemand motiviert. Und so „ergeben“ sich auch Hunde bereitwillig in die Routine. Dass sie diese aber „brauchen“ ist ein Mythos. Es ist schlicht und einfach bequemer so und „was der Bauer nicht kennt...“.
Sollten Sie „Stimmt es, dass Hunde ... ?“-Fragen haben, wenden Sie sich an die Redaktion oder schreiben Sie mir unter christiangutmann@gmx.net. Ich ergänze die Serie gerne um Ihre Fragen.
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Teneriffa Süd:
Oktober, Januar Erziehungskurse (Basis, Mittelstufe und Fortgeschrittene) und April in Playa San Juan
Nach Absprache Einzelgespräch, „Hundeinsel Teneriffa“, Guia de Isora
Nach Absprache Erziehungssprechstunde in Costa del Silencio (Centro Veterenario Cruz del Sur)
Teneriffa Nord:
Nach Absprache Einzeltraining
Nähere Informationen erhalten Sie unter 648 226 128 oder auf www.hundeinsel-teneriffa.com