|
Die Theorie des Welpenschutzes unterstellt, dass Welpen von normal entwickelten Hunden „von Natur aus“ keine Gefahr droht. Nach meinem Kenntnisstand bezeichnete man so eine angeblich angeborene Tötungshemmung. Im Rahmen der Mythenbildung wurde der Begriff in der Öffentlichkeit aber ausgedehnt. Der Ältere würde quasi erkennen, dass er es mit einem Kind zu tun hat und sich in jeder Hinsicht zurücknehmen. Eine Art Narrenfreiheit für Grünschnäbel? Der Gedanke ist naheliegend, da ja tatsächlich viele Hunde mit Welpen weit weniger Probleme haben, als mit erwachsenen Hunden. Sie verhalten sich deutlich weniger aggressiv und lassen dem Kleinen auch meist viel durchgehen. Aber das zu verallgemeinern ist falsch. Denn den grundsätzlichen Welpenschutz gibt es nicht. Er ist ein Mythos. Selbst Tötungen kommen vor.
Welpen stellen für erwachsene, sozial erfahrene Hunde in der Regel keine Konkurrenz dar. Sie beanspruchen noch kein Territorium und markieren es. Sie sind sexuell noch nicht ausgereift. Sie streben sozial meist noch nicht nach Höherem. Kein Grund für den erwachsenen Hund, sich Sorgen zu machen. Entsprechend gelassen begegnet er dem Welpen. Und genau deshalb passiert meist auch nichts. Allerdings sind nicht alle erwachsenen Hunde begeistert von solchen Begegnungen. Wir Menschen würden erwarten, dass sich der erwachsene Hund doch bitte herablassen und mitspielen sollte, wenn er aufgefordert wird. Einige tun das auch. Aber viele schauen ihren Besitzer eher mit einer Mischung aus Ekel und Flehen an und bitten wortlos darum, schnell weiterzugehen. Sie sind nicht interessiert, reagieren genervt und brummen vor sich hin. Das ist absolut normal. Erlösen Sie einen solchen Hund bitte einigermaßen schnell wieder und achten Sie darauf, dass ihm der Welpe nicht zu sehr auf die Nerven geht. Denn wenn Sie die Sache nicht klären, wird es der erwachsene Hund irgendwann selbst in die Hand nehmen und den Welpen mehr oder weniger entschieden zurechtweisen. Er sieht, im Gegensatz zu vielen Hundebesitzern, in dem Welpen nämlich kein putziges Baby, sondern möglicherweise einen kleinen Rüpel, der sich gerade komplett daneben benimmt. So etwas schaut man sich als gestandener erwachsener Hund vielleicht eine Weile an, aber irgendwann ist „Schluss mit lustig“.
Ist in solchen Situationen zusätzlich eine Ressource im Spiel, kann es schon einmal „scheppern“. Bei einigen erwachsenen Hunden ist bereits der Besitzer eine solche Ressource. Es ist alles in Ordnung, solange der Welpe halbwegs auf Distanz bleibt. Aber sie reagieren sofort, wenn der Welpe dem eigenen Herrchen oder Frauchen zu nahe kommt. Oder der Welpe nähert sich Fressen oder Spielzeug. Da kann es mit der Duldung auch schnell einmal vorbei sein.
Von erwachsenen Hunden gehen für Welpen zwei grundlegend unterschiedliche Gefahren aus. Die eine Form ist Aggression. Entweder grundsätzlich oder es kommt (wie oben beschrieben) erst im Laufe der Begegnung zum Konflikt. Aber für manche Hunde können Welpen auch Beutetiere sein. Vor allem wenn der Welpe körperlich sehr klein ist, brauchen erwachsene Hunde manchmal ein wenig Zeit, bis sie ihn als Hund identifiziert haben. Rennt der Kleine dann auch noch quiekend davon, kann er zur Beute von jagdlich hoch motivierten Hunden werden. Das hat mit Aggression oder Verhaltensstörung nichts zu tun. Da passt der Welpe einfach in ein Schema und dann laufen reine jagdliche Automatismen ab.
Ich möchte niemandem Angst machen. Solche Fälle sind selten, aber sie belegen immer wieder, dass es keinen grundsätzlichen Welpenschutz gibt. Keine Tötungshemmung und schon gar nicht als allgemeine „Benimmregel“. Angst ist keinesfalls angebracht, aber auch kein gedankenloser Übermut. Meist erkennt man bereits anhand der Annäherung des erwachsenen Hundes, wann „die Stunde geschlagen hat“. Und aufmerksam sollte man immer bleiben.
Dieser Mythos passt sehr gut in unser menschliches moralisches Weltbild. Und Hunden wird ebenfalls eine soziale Moral unterstellt, die es undenkbar erscheinen lässt, dass man sich an einem Welpen „vergreift“. Deshalb hält sich der Begriff wahrscheinlich auch so hartnäckig.
Sollten Sie „Stimmt es, dass Hunde ... ?“-Fragen haben, wenden Sie sich an die Redaktion oder schreiben Sie mir unter christiangutmann@gmx.net. Wir ergänzen die Serie gerne um Ihre Fragen.
Treffen Sie Christian Gutmann persönlich:
Teneriffa Süd:
Oktober, Januar Erziehungskurse (Basis, Mittelstufe und Fortgeschrittene) und April in Playa San Juan
Nach Absprache Einzelgespräch, „Hundeinsel Teneriffa“, Guia de Isora
Nach Absprache Erziehungssprechstunde in Costa del Silencio (Centro Veterenario Cruz del Sur)
Teneriffa Nord:
Nach Absprache Einzeltraining
Nähere Informationen erhalten Sie auch unter 648 226 128 oder auf www.hundeinsel-teneriffa.com