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Die Pilzforscherin Rose Marie Dähncke, die auf der Ostseite La Palmas etwas oberhalb von San Isidro (nicht allzu weit von der Inselhauptstadt Santa Cruz de La Palma entfernt) ein „Mykologisches Zentrum“ führt und als Begründerin und langjährige Leiterin der „Schwarzwälder Pilzlehrschau“ in Hornberg sowie als Autorin mehrerer Pilzbücher bekannt ist, hat die auf La Palma vorkommenden Pilzarten bestimmt und in einem umfassenden illustrierten Führer ihr Wissen darüber festgehalten: R.M. Dähncke, Las Setas/ Die Pilze in La Palma. Selbstverlag 1998. Dieses Werk mit 1.200 Pilzen in Farbfotos und einer Gesamtauflage von 70.000 Exemplaren gilt weltweit bei den Kritikern als bestes Pilzbuch. Da es schnell vergriffen war, ist ein neues Pilzbuch mit über 600 weiteren Arten in Arbeit, die noch zu den 1.200 dazukommen. Von dieser immensen Anzahl von Pilzen sind allerdings nur ca. 80 essbar. Die reiche und gute Bebilderung dieses Katalogs hilft, die Pilze zu identifizieren und die giftigen von den essbaren zu unterscheiden.
Mit ihrer langjährigen Forschungsarbeit hat Rose Marie Dähncke erstmals den Pilzreichtum der Insel La Palma in internationalen mykologischen Kreisen bekannt gemacht und in Europa – ja sogar bis Amerika – ein außergewöhnliches Echo ausgelöst. Die Pilzforscherin, die als Pionierin der volkstümlichen Pilzkunde in Deutschland gilt, hat auch das erste Pilzkochbuch überhaupt geschrieben und wurde dafür mit der Goldmedaille der „Gastronomischen Akademie Frankfurt“ ausgezeichnet. Rose Marie Dähncke hat die erste Ausbildungsstätte für Pilzberater (über 500 Teilnehmer wurden mit Ausweis versehen) ins Leben gerufen und ein eigenes Labor für Pilzbrutherstellung geführt. Auf ihre Initiative hin wurde der Gemeindewald von Hornberg zum ersten „Pilzgarten“ in Deutschland.
Pilz-Eldorado La Palma
Auch La Palma ist nun als Pilz-Eldorado bekannt und wird jedes Jahr von Wissenschaftlern besucht. Die Pilzforscherin empfängt und führt internationale Mykologen, die nur der Pilze wegen nach La Palma kommen, und gibt ihnen sämtliche Informationen, die sie für eine erfolgreiche Pilzsuche brauchen. Nach fast 30-jähriger, ständiger Beobachtung weiß Rose Marie Dähncke genau, welche Pilze wo wachsen und kann mit ihrem Wissen die anspruchsvollen Spezialisten zufrieden stellen, wobei sich ihr „Pilzarbeitsbereich“ auf La Palma in 35 Biotope teilt. Doch nimmt sie nicht nur Mykologen bei sich auf, sondern unternimmt auch selbst Pilzreisen, d.h. jährlich zwei Monate lang nach Spanien und Teneriffa, wo sie bereits seltene Pilze gefunden hat, die sonst nirgendwo abgebildet sind.
Die meisten bekannten Pilze sind Baumbegleiter und können nur mit den von ihnen benötigten Bäumen zusammenleben. Da auf La Palma vor allem Kiefern wachsen, kann man hauptsächlich mit Pilzen rechnen, die in Nadelwäldern vorkommen. Esskastanien und Zistrosen (Cistus symphytifolinus und Cistus monspeliensis), Pilze auf Wiesen und Weiden und sogar Adlerfarn sind die häufigsten Begleitpflanzen. Viele Kleinpilze wie „Mycena“ findet man auf am Boden liegenden Ästen im Lorbeerwald (Laurisilva) und an-dere auf Wiesen und Weiden.
Eigenartigerweise wachsen aber auch einige Arten, von denen man weiß, dass sie Kiefern bevorzugen, hier nicht, was wiederum von der Schwierigkeit zeugt, das Pilzerscheinen endgültig zu ergründen. Andere Pilze, die in Europa in Buchen- oder Laubmischwäldern anzutreffen sind, finden wir hier unter Esskastanienbäumen, an die sie sich aus Ermangelung anderer Laubbäume angepasst haben. Für die Pilzökologie gibt es hier einen großen und sicheren Bereich; sicher, weil die Monokultur an Kiefern nicht mit anderen Nadelbäumen wie Fichte und Tanne vermischt ist und hier nur Pilze wachsen, die ausschließlich mit Kiefern leben können. Rose Marie Dähnckes bevorzugte Pilzgebiete befinden sich auf der feuchten Ostseite La Palmas: entlang der Teerstraße von Breña Alta bis zum Refugio El Pilar, wovon vor allem das Refugio Pared Vieja und die ebenen Wälder zu beiden Seiten der Strecke, die circa ein bis zwei Kilometer vor dem Refugio El Pilar am Osthang der Cumbre Nueva verläuft, von großem Inte-resse sind. Hier wächst die Kanarische Kiefer mit Unterwuchs von Zistrosen, Baumheide und Hartlaubgewächsen. Gute Pilzgebiete sind auch El Riachuelo rechts an der Straße zum Mirador Cumbrecita und nach Tacande am Westhang der Cumbre Vieja. Auch das Schutzgebiet von Los Tilos, die Lorbeerwälder von Cubo de La Galga und ein Feucht- Kiefernwald im Norden La Palmas gelten als interessante Pilzgebiete. Maronenpilz, Seifenritterling oder Kuhröhrling wurden nur im Norden gefunden, woraus man schließt, dass diese Arten eine gewisse Kälte für ihr Wachstum benötigen.
Los Castañeros
Rose Marie Dähncke lebt seit 1979 auf La Palma und hat sich in diesen 30 Jahren unermüdlich den hiesigen Pilzen gewidmet. In Erinnerung an das große Herrenhaus des familieneigenen Rittergutes schuf sie sich oberhalb der „Montaña de la Pavona“ ihr persönliches kleines Herrenhaus „Los Castañeros“ inmitten der Finca mit einer Fläche von 20.000 m2. Auf ihrem Anwesen wachsen riesige Esskastanienbäume, Lorbeerbäume, Baumheide, Gagelbaum, die Kanarische Stechpalme und Kiefern. Als begeisterte Hobbyköchin probierte sie alle einheimischen Obst- und Gemüsesorten aus, hielt Federvieh und Ziegen und schrieb aus diesen Erfahrungen heraus einige Kochbücher mit sehr praktischen und köstlichen Rezepten. Sehr beliebt, aber leider vergriffen ist „Mein Inselkochbuch“, das erweitert und neu überarbeitet unter dem Titel „Mein neues Inselkochbuch“ wieder erscheinen soll. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Mehrheit der palmerischen Bevölkerung früher vom Sammeln bzw. Zubereiten der Pilze zurückhielt, da man mangels Kenntnisse über die „setas“ vor Vergiftungen Angst hatte. So sind den Palmeros auch nur wenige volkstümliche Pilznamen bekannt. Zu ihnen gehören die „Carolinas“ (auf dem Festland bekannt unter dem Namen „Nizcalo“), die den Edelreizker (Lactarius deliciosus) bezeichnen. „Nacida“ ist der volkstümliche Name für „Rhizopogon luteolus“ und „Tortullo“ für die verschiedenen Röhrlinge und anderen Arten.
Rose Marie Dähncke hält Kurse ab, z.B. mit dem Thema „Einführung in die Pilzkunde“ für die Lehrerschaft von La Palma oder „Optimale Verwertung der Pilze in der Küche“ für professionelle Köche von Teneriffa (140 Teilnehmer hat sie dort schon ausgebildet). Mit Unterstützung angereister deutscher sowie internationaler Mykologen und des palmerischen Fotografen Juan Castro hat sie in 30 Jahren systematische Erhebungen in pilzreichen Wäldern auf La Palma durchgeführt und in ihren Werken festgehalten. Etwa 15 weltweit neue Pilze, die sie entdeckt hat, tragen den Autorennamen „Dähncke“. Als Auszeichnung für Rose Marie Dähnckes unermüdliche 65-jährige Pilzarbeit wurde von österreichischen und holländischen Mykologen, mit denen sie zusammenarbeitet, ein Pilz nach ihr benannt: „Entoloma rosemariae“.
Die Pilzforscherin gehört zu den Persönlichkeiten, die durch ihren erfolgreichen Einsatz und ihr großartiges Wissen der Insel und den Menschen, die auf ihr leben, einen riesigen Erfahrungsschatz und Nutzen gebracht haben. Sowohl bei der Inselregierung als auch bei den Palmeros hat Rose Marie Dähncke durch ihre Arbeit das Bewusstsein für die Natur, d.h. für die Pilze auf La Palma und den richtigen Umgang mit ihnen geweckt und gefördert.
Von Cornelia Bertram