|
Übergangszeit und Ära Sventenius
Eine neue Etappe in der Geschichte des Jardín de Aclimatación de La Orotava begann unter der Aufsicht der Cámara Oficial Agrícola de La Orotava im Jahr 1906, als mit einer kleinen Finanzspritze seitens der Regierung einige bauliche Reformen durchgeführt werden konnten. Dazu gehörten die Verbesserungen des Bewässerungssystems und der Wasserleitung, die von La Orotava herführte, und das Ersetzen der alten Holzbauten durch Eisenkonstruktionen. 1914 wurde die Westfassade renoviert und der Bau eines monumentalen Tores realisiert, das bis 1983 als Eingang des Botanischen Gartens diente. In die Zeit zwischen 1980 und 1983 fiel die Neugestaltung der Nordfassade, durch deren Tor man heute den Besuchern Einlass zu den botanischen Sehenswürdigkeiten gewährt. Unter den ehemaligen illustren Gästen befanden sich kein geringerer als der spanische König Alfonso XIII., welcher im Jahr 1906 den Garten besichtigte, und 30 Jahre später (1935) der französische surrealistische Schriftsteller André Breton (1896-1966), der durch die Eindrücke dieser exotischen Pflanzenwelt zu seinem Gedicht „L’amour fou“ (1937) inspiriert wurde.
Ein halbes Jahrhundert nach der fruchtbaren Ära von Hermann Wildpret sollte noch einmal ein Glücksfall für den Jardín Botánico eintreten, als der schwedische Botaniker Erik Ragnar Svensson (in der botanischen Literatur unter dem lateinischen Namen Ericus Sventenius bekannt) 1943 als Sonderbeauftragter des Landwirtschaftsministeriums seine Arbeit am Botanischen Garten aufnahm. Hatte Hermann Wildpret die Priorität seiner Aufgabe auf Sortenzüchtung, Vervielfältigung des Pflanzenbestandes sowie deren Bestandesaufnahme gelegt, so wandte sich Eric Sventenius in erster Linie der Erforschung der kanarischen Flora zu und legte ein Herbarium mit Exemplaren des ganzen Archipels an, das als Grundstock für das heutige Herbarium diente. Er befasste sich fast 30 Jahre lang wissenschaftlich mit dem Pflanzenbestand des Botanischen Gartens und plante eine Erweiterung auf einem Stück Land, das schließlich auch erworben wurde. Das Projekt, einen Jardín Botánico der kanarischen Flora im Gebiet von Martiánez in Puerto de la Cruz anzulegen, scheiterte allerdings am Desinteresse der zuständigen Regierungsvertreter. Seine Idee verwirklichte Eric Sventenius schließlich in Gran Canaria, wo der Jardín Botánico Viera y Calvijo 1952 gegründet und 1959 eröffnet wurde. Sventenius ist es auch zu verdanken, dass eine kleine, aber inhaltlich unschätzbare Bibliothek des Botanischen Gartens in Puerto de la Cruz erhalten blieb, in der sich ein Exemplar der „Histoire Naturelle des Iles Canaries“ von Sabin Berthelot befindet, das aller Wahrscheinlichkeit nach seine private Ausgabe war. 1973 verunglückte Eric Sventenius tödlich bei einem Autounfall auf Gran Canaria.
Heutige Situation und Zukunftsplanung
1983 übernahm das De-partement für Landwirtschaft der autonomen kanarischen Regierung (Comunidad Autónoma de Canarias) die Verantwortung für den Jardín de Aclimatación de La Orotava. Seit diesem Zeitpunkt wurden wieder Anstrengungen unternommen, den Garten zu renovieren und zu verbessern. 1988 begannen die Arbeiten für die baulichen Einrichtungen eines Verwaltungsgebäudes und eines zweiten Backsteinbaus im gleichen Stil, in dem sich heute das Forschungs-zentrum mit seinen Laboratorien, der kleinen wertvollen Bibliothek und dem Herbarium, das momentan ca. 40.000 Belege beinhaltet, befindet. Neben verschiedenen Bereichen für den Erhalt der Pflanzensammlungen von der tropischen bzw. subtropischen und der für das Orotavatal charakteristischen Flora sowie von Palmen (150 Arten kann man heute zählen) und Sukkulenten sind eine meteorologische Station und ein 1.200 Quadratmeter großes Gebäude für ein Besucherzentrum mit einem kleinen Museum, einer Cafetería und einer Buchhandlung geplant, das für informative und pädagogische Zwecke (ca. 20.000 Schüler besuchen pro Jahr den Garten) bzw. diverse kulturelle Anlässe genutzt werden soll. Zum Beispiel für Ausstellungen, Diashows und Vorträge. Zurzeit wird an der Erweiterung eines neuen Parks gearbeitet, der sich an das Besucherzentrum anschließen wird. Im Dezember 2007 konnte man sich an einer vom tinerfenischen Landwirtschaftsministerium organisierten Fotoausstellung in Puerto de la Cruz über dieses Erweiterungsprojekt informieren, das in vier Jahren abgeschlossen sein soll: demnach wird das neue um 35.000 auf insgesamt 55.000 Quadratmeter vergrößerte Areal von Wasserläufen durchzogen, die über einen Wasserfall ca. 12 Meter tief in einen künstlich angelegten kleinen See fallen. Damit soll dem Besucher der Eindruck vermittelt werden, sich mitten in einem subtropischen Urwald zu befinden.
International anerkannte Forschungsarbeit
Bereits heute erfreut sich der Jardín de Aclimatación de La Orotava großer Beliebtheit, da er als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Teneriffa jährlich von 400.000 Gästen besucht wird. Er ist nach dem Real Jardín Botánico de Madrid der zweit-älteste Botanische Garten von Spaniens und weltweit einer der schönsten. Seine Besonderheit liegt darin, dass die unterschiedlichsten Pflanzen aus fünf Kontinenten dank der günstigen klimatischen und orographischen Bedingungen nebeneinander wachsen können. Bedeutend ist auch die Beteiligung des Botanischen Gartens am internationalen Pflanzenaustausch sowie an Forschungs- und Artenschutzprogrammen. Ungefähr 5.000 Pflanzenarten, von denen bis jetzt 2.500 computertechnisch überwacht werden, und 120 Baumarten gedeihen in diesem besonderen Lebensraum. Vorherrschend sind Palmen, Bromeliaceae, Araceae, Moraceae, viele Arten der Pflanzenwelt Makaronesiens und einzelne 200 Jahre alte Bäume aus der Gründerzeit, wie Araukarien und Kanarische Kiefern.
Als touristische Attraktion gelten die Würgerfeige und der Leberwurstbaum. Die Würgerfeige (Ficus macrohylla) bzw. Higuera de Lord Howe stammt von der Insel „Lord Howe Island“ im Pazifischen Ozean (vor der Ostküste Australiens, ca. auf der Höhe von Sydney). Die Würgerfeige setzt sich auf einem Wirtsbaum fest und saugt ihm den Saft ab, umschlingt ihn mit Luftwurzeln und verankert diese in der Erde – und gedeiht dennoch, wenn der Wirtsbaum eingegangen ist. Der Leberwurstbaum (Kigelia africana) gehört zur Familie der Trompetenbaumgewächse. Die Blüten des Leberwurstbaums hängen an langen, dünnen Stielen. Die sich später ausbildende Frucht sieht wie eine große Leberwurst aus und gab dem Baum seinen Namen. Da für eine Besichtigung des Botanischen Gartens nur ein dürftiger Prospekt existiert, sollte man ein Pflanzenbestimmungs-buch mitnehmen, um mehr über die jeweiligen Pflanzen im Garten zu erfahren.
Jardín de Aclimaticación de La Orotava
Puerto de la Cruz, Calle Retama 2
9 – 19 Uhr (1. April – 30. September)
9 – 18 Uhr (1. Oktober – 31. März)
Geschlossen:
25. Dezember, 1. Januar und Karfreitag
Hijuela del Jardín Botánico (Außenstelle)
La Orotava, Calle Tomás Pérez 1
9 – 14 Uhr
Geschlossen:
Samstag, Sonntag und Feiertage