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Unbestritten ist jedoch, dass Europa im Vergleich zu Westafrika nicht akut betroffen ist. In Ländern wie Liberia dagegen verbreitet sich das Virus so schnell, dass Ende der vergangenen Woche der Ausnahmezustand ausgerufen wurde. Auch die Weltgesundheitsorganisation hat mittlerweile reagiert: Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist von den Seuchen-Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „internationaler Gesundheitsnotfall“ eingestuft worden. Das teilte die Organisation in Genf mit. Damit kann sie jetzt weltweit Vorschriften zur Eindämmung des Ebola-Ausbruchs erlassen. Möglich sind unter anderem Quarantäne-Maßnahmen wie die Schließung von Grenzen sowie Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr.
WHO-Generaldirektorin Margaret Chan gab bekannt, dass sie die Empfehlungen des Notfall-Komitees vollständig angenommen hat und sie damit als weltweit völkerrechtlich verbindliche Gesundheitsvorschriften in Kraft setzt. „Alle Maßnahmen sind darauf gerichtet, eine weitere internationale Ausbreitung zu verhindern“, sagte sie bei einer Pressekonferenz in Genf.
Eine weitere Reaktion auf die rasante Geschwindigkeit, mit der sich Ebola ausbreitet, kam aus den USA. Dort hat die landeseigene Arzneimittelbehörde FDA die Sicherheitsbeschränkungen für ein Medikament gelockert, das sich aktuell noch in der Testphase befindet und somit den an Ebola erkrankten Menschen den Zugriff auf dieses Medikament erleichtert. Das Medikament TKM-Ebola des kanadischen Unternehmens Tekmira Pharmaceuticals greift das genetische Material des Ebola-Virus an. Nach Angaben des Unternehmens wirkte es bei Affen zu „100 Prozent“. Jetzt soll TKM-Ebola an Patienten in Westafrika getestet werden.
Ein weiteres Medikament, das unter anderem an einem erkrankten getestet wird, ist ZMapp. Dessen Zustand hatte sich nach Verabreichung gebessert – allerdings fehlen auch für dieses Medikament klinische Studien.
Der US-Seuchenschutz bezeichnete vor einigen Tagen die aktuelle Epidemie als die schlimmste seit der Entdeckung des Virus. Vor allem deshalb, weil die Fiebererkrankung diesmal auch in Ländern aufgetreten sei, die bisher von der Seuche verschont geblieben seien. Dr. Tom Frieden, der Direktor der US-Seuchenschutzbehörde, meinte in einer Erklärung vor dem amerikanischen Kongress, dass die kommenden Wochen ausgesprochen kritisch würden, was Verlauf und Möglichkeiten zur Eindämmung von Ebola angingen.
Bei Ebola handelt es sich um eine Fiebererkrankung, die bereits vor knapp 40 Jahren erstmals auftrat, im damaligen Zaire, heute Republik Kongo. Seither kam es immer wieder zu einem Aufflackern der Krankheit und seit März schockiert der größte bisherige Ebola-Ausbruch die Welt. Seitdem sind mehr als 1.600 Menschen erkrankt, mehr als 800 starben. Betroffen sind diesmal Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria.
Forscher haben mittlerweile herausgefunden, dass es insgesamt fünf verschiedene Stämme des Ebola-Virus gibt. Davon können vier dem Menschen gefährlich werden. Die Todesrate bei einer Infektion liegt bei 50 bis 90 Prozent. In Westafrika hat die Epidemie zu weitreichenden Konsequenzen geführt. Nicht nur Liberia, auch Sierra Leone und Nigeria haben mittlerweile den nationalen Notstand ausgerufen. In dem kleinen Staat Sierra Leone sind 800 Soldaten im Einsatz, die die Quarantäne-Maßnahmen durchsetzen sollen. Zwei Städte im Osten des Landes wurden komplett unter Quarantäne gestellt und in Liberia wurden in der vergangenen Woche die Zufahrtsstraßen in die Hauptstadt Monrovia abgeriegelt.
Noch allerdings warnen Experten in Europa davor, in eine Ebola-Hysterie auszubrechen und betonen vor allem, dass der hygienische Zustand in Europa sich eklatant von dem in Afrika unterscheidet. Tatsächlich fehlt es in den betroffenen Ländern Westafrikas an medizinischer Ausrüstung, um die Krankheit zu stoppen. Außerdem arbeitet die Bevölkerung nicht gut mit den Hilfskräften zusammen. In Westafrika trauen die Menschen Krankenhäusern nicht und suchen sie daher selten auf. Mehr noch: Von vielen Familien werden Erkrankte ganz bewusst versteckt gehalten. In den Dörfern ist es darüber hinaus häufig Tradition, die Toten zu berühren und zu waschen. Durch die schlechte Infrastruktur in Westafrika ist zudem die Aufklärung der Bevölkerung schwierig. Dementsprechend gehört eine bessere Aufklärung der Menschen in den Seuchengebieten ebenso zu den Prioritäten der Helfer wie der lückenlose Nachweis darüber, mit welchen Menschen ein Infizierter in Kontakt gewesen ist – eine wahre Sisyphus-Arbeit, für die jetzt neue Gelder bereitgestellt wurden: Die Weltbank in Genf investierte 200 Millionen Dollar, die WHO 100.
Unterdessen gestehen Mediziner und Forscher offen eigene Versäumnisse ein. Der Marburger Virologe Stephan Becker räumte gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin „Focus“ ein: „Es ist beschämend, dass wir nach fast 40 Jahren noch immer kein Medikament und keinen Impfstoff gegen Ebola in der Hand haben.“ Tatsächlich sind Arzneimittel und Impfstoffe bisher nur an Affen getestet worden – klinische Tests am Menschen gab es bisher nicht. Deshalb rechnen Experten auch frühestens im kommenden Jahr mit einem Serum gegen Ebola.
Von Andrea Abrell