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Am deutlichsten wird das bei den Geschlechtern – der Mann produziert mehr Testosteron, die Frau mehr Östrogene. Auch die Umwelt kann die Bildung von Hormonen mitbestimmen, etwa durch Stress, Sport und Ernährung. Doch trotz all dieser Einflüsse von außen sind Hormone nicht nur ausführende Botenstoffe. Sie können umgekehrt auch das Erbgut beeinflussen und – durch das ausgelöste Verhalten – sogar unsere Umwelt. Damit gehören sie neben den Genen und der Umwelt zu den Faktoren, die den Menschen zu dem machen, was er ist.
Bisher kennen Forscher insgesamt 150 verschiedene Hormone. Experten gehen allerdings davon aus, dass dies nur ein Bruchteil ist. Sie gehen davon aus, dass mehr als 1.000 verschiedener Hormone existieren. Was bisher entdeckt wurde, versucht die Medizin für sich zu nutzen. Ärzte setzen Insulin ein, um Diabetiker zu behandeln, die das Hormon meist nur unkontrolliert und in zu geringer Menge ausschütten. Auch die „Pille“ ist in ihrer Summe nichts anderes als eine Dosis von Hormonen, die dem weiblichen Körper signalisieren, dass er schwanger ist und genau durch diesen Mechanismus eine Empfängnis verhüten. Bekannt geworden ist die Hormontherapie darüber hinaus durch die Behandlung von Frauen in den Wechseljahren. Dort waren sie allerdings lange Zeit umstritten. Sie sollten das Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt und Krebs erhöhen. Neuere Studien allerdings haben gezeigt, dass die Hormontherapie weniger riskant ist als bisher angenommen wurde. Das gilt vor allem dann, wenn sie rechtzeitig begonnen wurde – ein erhöhtes Risiko besteht nach neuen Untersuchungen erst für Frauen ab 60.
Die Frage, die sich im Zusammenhang mit Hormonen immer wieder stellt: Wie wirken diese eigentlich? Hormone bringen nicht nur chemisch verschlüsselte Nachrichten von A nach B, sondern werden am Zielort auch selbst aktiv und setzen dort Kettenreaktionen in Gang. Sie entstehen in den Drüsen, die über den ganzen Körper verteilt sind: Adrenalin wird in der Nebenniere produziert, die weiblichen und männlichen Geschlechtshormone entstehen in den Hoden und den Eierstöcken und Insulin, das den Blutzuckerspiegel reguliert, wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet. Um ihre Zielzellen zu erreichen, nutzen die Hormone das Verbindungsnetz des Körpers: Über das Blut gelangen sie überall dorthin, wo sie gebraucht werden.
Manche Körperzellen tragen Moleküle auf der Außenseite, die auf bestimmte Hormone wie zugeschnitten sind und sich mit ihnen verbinden können. Sobald diese dort andocken, lösen sie eine ganze Reihe von Reaktionen aus: Bestimmte genetische Informationen werden abgelesen, Stoffwechselprozesse eingeleitet, andere Botenstoffe produziert. Die genauen Vorgänge sind bei jeder Zielzelle anders, doch in einem Punkt gleichen sie sich: Es ist fast immer eine Art Kettenreaktion, die in Gang gesetzt wird.
Dazu gehören auch Glücksgefühle. Beim Sport oder auch beim Singen schüttet der Körper Serotonin und Dopamin aus. Sie sorgen dafür, dass die Laune steigt. Serotonin stimuliert unter anderem Regionen der Großhirnrinde, die für positive Emotionen zuständig sind. Hingegen ist bei einer Depression oft der Serotonin-Spiegel zu niedrig – Wirkstoffe, die den Abbau von Serotonin hemmen, sollen der Krankheit entgegenwirken und gehören zu den gängigsten Medikamenten in ihrer Behandlung. Und auch Dopamin setzt im Gehirn an, am sogenannten mesolimbischen System, das wiederum eng mit einem Belohnungssystem in Verbindung steht. Wer sich verausgabt, hat das Gefühl, er sei belohnt worden.
Das klingt ein wenig so, als könne man die Hormone als Boten steuern und lenken, frei nach dem Motto: Wenn ich zum Sport gehe, werden Glückshormone ausgeschüttet und es geht mir gut. Doch in Wahrheit haben wir längst nicht alles unter Kontrolle. So geben 75 Prozent der Frauen an, dass ihr Zyklus ihre Stimmung beeinflusse. Dass es in der zweiten Zyklushälfte häufig zu innerer Anspannung, Reizbarkeit, Streit und gelegentlich sogar zu depressiven Phasen kommt, ist wohl auf einen Mangel der beiden Hormone Östrogen und Gestagen zurückzuführen, die in dieser Zeit in geringerer Konzentration im Blut zirkulieren.
Die Psyche ist demnach offenbar eng mit dem Hormonprofil verbunden: Was wir tun, beeinflusst die Hormone – und die Hormone beeinflussen, was wir tun.
Die Hormone Insulin und Glukagon sorgen dafür, dass die Blutzuckerkonzentration geregelt wird. Das in der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttete Insulin bewirkt dabei, dass die Zellen Zucker aus dem Blut aufnehmen, es steigt vor allem nach dem Essen an. Glukagon wird ebenfalls in der Bauchspeicheldrüse produziert und sorgt für das genaue Gegenteil: Es erhöht den Blutzuckerspiegel, indem es gespeicherte Zuckerreserven etwa in Fettzellen freisetzt. Erst die beiden Hormone machen im Zusammenspiel den Energiehaushalt des Körpers flexibel und gleichzeitig beständig – und bewahren damit ein lebenswichtiges Gleichgewicht.
Die im Blut zirkulierenden Schilddrüsenhormone Triodthyronin und Thyroxin steuern ebenfalls zahlreiche Körperfunktionen. Sie sorgen unter anderem dafür, dass die Zellen ihren Umsatz steigern und der Energiestoffwechsel des Körpers angekurbelt wird. Dabei regulieren sie sich selbst: Zirkulieren zu viele Hormone im Blut, wirken sie über eine negative Rückkopplung unter anderem auf die Schilddrüse, sodass weniger von ihnen ins Blut abgegeben werden. Ist ihre Konzentration aber dauerhaft zu hoch, kommt es zu Nervosität und Zittern; ist sie zu niedrig, setzt Müdigkeit und Kraftlosigkeit ein.
Auch unser Schlafrhythmus wird von einem Hormon gesteuert: dem Melatonin. Es wird in den Tiefen des Gehirns produziert, in einem winzigen Abschnitt namens Epiphyse. Über mehrere Zwischenstationen erhält die Epiphyse von den Augen Informationen darüber, ob es draußen noch hell ist. Solange dies der Fall ist, wird die Produktion des Schlafhormons Melatonin unterdrückt. Erst wenn es dunkel wird, schüttet die Epiphyse es vermehrt aus. Über das Blut wird es im Körper verteilt und vermittelt in den Zellen und im Gehirn: Es ist Zeit, schlafen zu gehen. Dann werden wir müde.
Für die Liebe gibt es ebenfalls hormonelle Gründe. Das Herzklopfen beispielsweise ist klar auf einen Anstieg von Adrenalin zurückzuführen, die Achterbahn der Gefühle, früher gern auch „Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt“ genannt, dagegen auf einen extrem niedrigen Serotoninspiegel, den Forscher bei Verliebten festgestellt haben. Im Gegensatz dazu ist der Dopamin-Spiegel bei Verliebten sehr hoch. Versuche haben gezeigt, dass bereits ein Foto des geliebten Menschen ausreicht, um diesen in die Höhe zu treiben und damit das Belohnungszentrum im Gehirn zu aktivieren. Dass Glücksgefühle aber an eine gewisse Person geknüpft sind, ist den Hormonen Oxytocin und Vasopressin zu verdanken – beide fördern die gefühlsmäßige Bindung an einen Partner.
Eine besondere Rolle spielen die Hormone auch in der Pubertät – und da machen sie Heranwachsenden oft das Leben schwer. Diese turbulente Zeit beginnt mit der Produktion des Proteins Kisspeptin. Es sorgt über mehrere Zwischenschritte dafür, dass die Sexualhormone LH und FSH ausgeschüttet werden. Bei Jungen kurbeln sie die Bildung von Testosteron an, das unter anderem Hoden und Penis wachsen lässt.
Bei Mädchen werden Östrogene gebildet, die Brust beginnt zu wachsen. Neben der Ausbildung der Geschlechtsmerkmale findet in der Pubertät außerdem die letzte große Wachstumsphase statt: Das steht in engem Zusammenhang mit der Ausschüttung der Geschlechtshormone. Bis zu acht Zentimeter im Jahr schießen die Mädchen in die Höhe, bei den Jungen sind es sogar bis zu zehn Zentimeter. Durch die verstärkt vorhandenen Sexualhormone neigen die Jugendlichen aber auch zu impulsiveren und emotionaleren Reaktionen. So kann es in der Phase, in der die Abnabelung von den Eltern oft Konflikte aufwirft, schnell zur viel zitierten Launenhaftigkeit und zu Streitereien kommen.
Einige Jahrzehnte später, meist zwischen 40 und 60, geht die Konzentration der Geschlechtshormone wieder zurück, was sich besonders bei den Frauen bemerkbar macht: In den Wechseljahren wird die Produktion des Östrogens verringert, bis der Menstruationszyklus mit der Monatsblutung aussetzt – die fruchtbare Phase der Frau ist damit beendet. Diese weitreichende Umstellung ist oft unangenehm: Schweißausbrüche, Libidomangel, Depressionen, Entzündungen und Trockenheit im Scheidenbereich sind keine Seltenheit. Hier kann die bereits erwähnte Hormontherapie sinnvoll sein, sofern sie unter Abwägung aller Risiken mit dem Arzt eingeleitet wird. Alternativ dazu gibt es jedoch mittlerweile auch etliche pflanzliche Alternativen, die dabei helfen können, die typischen Beschwerden dieser Phase zu lindern.