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• Herr Bermúdez, den Tourismus in der Stadt anzukurbeln, ist eines ihrer großen Ziele, dem sie auch schon ein Stück nähergekommen sind. Hat das mit ihrer Vergangenheit als Tourismusrat zu tun?
Eigentlich hat es vor allem damit zu tun, dass das Potenzial dieser Stadt viel zu wenig genutzt wurde. Als ich das Amt des Bürgermeisters übernahm, betrug die Belegung der Hotelbetten im Jahresschnitt gerade einmal 20 Prozent, inzwischen liegen wir schon bei 50 Prozent und in Kürze möchte ich gerne die 75-Prozent-Marke erreichen.
Santa Cruz ist eine sehr attraktive Stadt. Sie hat es verdient, mehr in den Fokus touristischen Interesses zu rücken. In diesem Jahr ist Santa Cruz de Tenerife, nach Madrid, die zweitmeist besuchte Urlaubsdestination der Spanier für die bevorstehenden Weihnachtsferien. Das ist ein großer Erfolg. Nach uns kommen auf Platz drei Barcelona und auf Platz vier und fünf zwei weitere Canarios, nämlich Las Palmas de Gran Canaria und Lanzarotes Hauptstadt Arrecife.
Bei den Ausländern sind wir, nach unserer eigenen Tourismusstatistik, vor allem bei den Briten, Italienern und Deutschen beliebt. Und nächstes Jahr werden wir im September 2016 die elfte Kreuzfahrtmesse von Seatrade Cruise Med beherbergen.
Das ist die größte und wichtigste Messe dieses Sektors in Europa. Mein Ziel ist es, den Hafen noch weiter auszulasten und noch mehr Kreuzfahrtschiffe in der Stadt zu empfangen sowie Reedereien dazu zu animieren, uns auch als Basis zu nutzen, so wie die „AIDAblu“ dies in der Wintersaison tut. In Santa Cruz finden die Passagierwechsel statt und viele Reisende bleiben ein paar Tage länger oder kommen etwas früher, bevor die Kreuzfahrt beginnt oder wenn sie zu Ende ist. Das ist ebenfalls eine interessante Option. Maximal sechs Kreuzfahrtschiffe können in Santa Cruz gleichzeitig vor Anker gehen. Diese Kapazität ist noch lange nicht ausgeschöpft, aber wir arbeiten daran. In absehbarer Zeit ist auch der neue Terminal fertig, der dann die optimale Abfertigung der Passagiere gewährleistet. Dadurch verbessern wir Service, Angebot und Qualität unserer Dienstleistungen.
• Die Küstenlinie ist derzeit im Bau. Früher hieß es einmal, dass Las Palmas eine Stadt sei, deren Bewohner mit dem Gesicht zum Meer leben und die Menschen von Santa Cruz, mit dem Rücken zum Meer. Wie sehen Sie das und wie wird dieser Eindruck eventuell durch das Projekt verändert?
Im Vergleich zu Las Palmas hat Santa Cruz vor allem einen Nachteil: Unser Meer ist direkt vor der Küste bereits sehr tief. In Las Palmas konnten durch die geringere Wassertiefe mehrere Anleger hintereinander gebaut werden. Vor Santa Cruz geht es direkt 600 Meter in die Tiefe – da ist dies nicht möglich. Deshalb ist unsere ganze Küstenlinie vom Hafen eingenommen. Aber durch die Promenade und die Öffnung zum Hafen wird dieser Bereich in die Stadt integriert. Bis zu den Anlegern sollen Lokale zum Sitzen, Einkehren und Genießen etabliert werden. Jetzt hört unsere Stadt an der Avenida Marítima auf, aber wenn das Projekt fertig ist, wird sie direkt bis ans Meer gehen. Das wird ein großer Zugewinn an Attraktivität sein. Wann genau mit der Fertigstellung gerechnet werden kann, kann ich noch nicht datieren. Die Kosten für diese Investition werden allein von der Stadt, der Insel- und der Kanarenregierung sowie von der Hafenbehörde gestemmt. Aus Madrid haben wir keinen Zuschuss zu erwarten. Aber Stück für Stück wird unsere Stadt so noch mehr Lebensqualität erhalten.
• Was ist mit den beiden Stränden, die immer wieder im Gespräch sind?
Mit der Playa de Las Teresitas vor den Toren der Stadt haben wir einen absoluten Traumstrand. Weißer Sand, Palmen, Ruhe und ein beruhigter Wellengang. Was will man mehr? Um auch Bademöglichkeit in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt zu schaffen, sind zwei weitere Projekte geplant. Die Playa Valleseco und die Playa de los Llanos. Die Playa Valleseco wird wahrscheinlich schon mittelfristig umgesetzt werden. Der Strand wird am Nordende der Stadt, nahe dem Sporthafen entstehen. Der zweite Strand, Playa de los Llanos, soll sich unterhalb des Auditoriums ausbreiten. Dieses Projekt ist weit aufwendiger und daher eher in der langfristigen Planung realistisch. Beide werden dazu beitragen, noch mehr Urlaubsflair mit der Stadt zu verknüpfen.
• Was sind ihrer Meinung nach die Stärken von Santa Cruz?
Santa Cruz ist eine dynamische Stadt, in der sich Modernes und Geschichte mischen. Wir bieten zahlreiche Freizeit- und Sportmöglichkeiten, Kultur sowie weitläufige Parks und Grünanlagen. Wir haben mehrere kleinere Hundeparks in verschiedenen Stadtvierteln angelegt und in Kürze werden wir im Park La Granja einen rund 3.000 Quadratmeter großen Bereich für Hunde und ihre Halter einweihen. Dort können sich die Vierbeiner dann ungestört austoben. Außerdem bieten wir regelmäßig Aktivitäten an, um unsere Innenstadt zu beleben. Zum Beispiel das Vollmondfest Plenilunio, Konzerte und Open Air Veranstaltungen. Jeden ersten Sonntag im Monat laden wir mit „Ven a Santa Cruz“ zum Einkaufsbummel mit der ganzen Familie ein. Die Geschäfte sind geöffnet und in den Straßen gibt es ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm. Zudem ist unsere Stadt umgeben von dem zauberhaften Anagagebirge mit ausgedehnten Wanderwegen, dessen Netz wir derzeit ausbauen und warten. An der Anaga-Küste und auch an der Playa de Las Teresitas haben wir wunderschöne Strände zu bieten, die für Einwohner und Besucher gleichermaßen attraktiv sind. Gerade die Playa de Las Teresitas braucht vor allem drei Dinge, die wir in Kürze in Angriff nehmen werden: Beleuchtung, eine Grundüberholung und vor allem eine Promenade. Im Moment kann man dort parken und baden, aber nicht entlangspazieren und das soll sich ändern. Wir wollen den Bewohnern der Stadt und auch unseren Besuchern bestmögliche Qualität und ein schönes Ambiente bieten. Mir sind übrigens Touristen, die nicht in der Stadt wohnen, sondern nur einen Tagesausflug machen, genauso lieb wie Übernachtungsgäste. Es geht mir vor allem darum, dass die Geschäfte und Restaurants in der Stadt gut frequentiert werden und dadurch erfolgreich sind. Das schafft eine attraktive Innenstadt und Arbeitsplätze.
• Gerade in Bezug auf Arbeitsplätze stellt sich die Frage nach der sozialen Lage in der Stadt. Wie ist die Situation im Moment?
Als ich diese Stadt mitten in der Krise übernommen habe, hatten wir rund 29.600 Arbeitslose (2012) und inzwischen sind wir bei weniger als 25.000 Menschen ohne Arbeit. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund 28 Prozent. Das ist besser, aber bei Weitem noch nicht genug. Noch macht sich das nicht auf den Straßen und in den Geschäften bemerkbar. Auch die Art der Verträge ist noch nicht so, dass wir zufrieden sein können. Sie sind oft kurzfristig und geben den Menschen keine Sicherheit. Wir bieten über die Stadt verschiedene Fortbildungsmaßnahmen, eine Jobbörse und
Kurse an. Rund 1.000 Familien erhalten von uns Hilfe in Form von Mietzuschüssen, Lebensmitteln, Babynahrung oder auch Hilfen, damit sie ihre Wasser-, Gas- und Stromrechnungen oder auch Medikamente zahlen können. Wir versuchen mit Banken zu vermitteln, wenn Zwangsräumungen anstehen, und soziale Notlagen oder Extraausgaben zu entschärfen. Mehr als 13 Millionen Euro sind im Haushalt 2016 für Soziales vorgesehen. Das ist das Dreifache des Budgets, das wir angesetzt hatten, als ich meinen Dienst antrat.
• Viele junge Menschen verlassen Spanien und auch die Kanaren. Wie stehen Sie dazu?
Die vielen jungen Leute, die die Inseln verlassen, um woanders eine berufliche Chance zu nutzen, tun mir im Herzen leid. Ich wünschte, sie hätten diese Möglichkeiten hier. Das Gute: Wenn sie wiederkommen, sind sie vermutlich gut qualifiziert und sprechen in der Regel eine Sprache mehr. Viele werden aber nicht wiederkommen und das ist schade. Ich würde den jungen Menschen hier raten, sich auf Berufe zu konzentrieren, die gefragt sind. In Santa Cruz waren es schon immer vor allem der Handel und der Dienstleistungssektor. Sie sollten nicht auf öffentliche Ämter spekulieren. Absehbar ist der Ausbau des Mitarbeiterstabes nicht geplant. Die größere Zukunft liegt in Privatunternehmen. Die Kürzungen im Ausbildungswesen und bei den Studienunterstützungen halte ich für völlig falsch. Bei allem Sparkurs, bei Gesundheit und Ausbildung hätte nie der Rotstift angesetzt werden dürfen. Das ist eine völlig falsche Politik.
• Sie sind als Bürgermeister über Facebook, Twitter und auch über Veranstaltungen mit den Bewohnern der Stadt vernetzt. Wie wichtig ist Ihnen dieser Kontakt?
Ich arbeite gerne für diese Stadt. Ich habe mich schon vor langer Zeit in Santa Cruz, seine Bewohner, seine Feste, seinen Karneval und vieles mehr verliebt. Deshalb versuche ich mit der Erfüllung meines Amtes, dem Anspruch gerecht zu werden, den ich mir selbst stelle. Ich möchte die Stadt noch schöner und die Lebensqualität besser machen.
Dazu wünschen wir Ihnen, Herr Bermúdez, viel Erfolg und danken Ihnen für die Zeit, die sie sich genommen haben.
Von Sabine Virgin