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Natalie, das ist wirklich eine sehr ungewöhnliche Begegnung. Wer sind Sie und was tun Sie hier eigentlich?
Im Moment schwimme ich im Hafenbecken von Puerto de la Cruz und freue mich meines Lebens. Okay, ich tue das nicht einfach so, sondern der Sender Vox dreht gerade einen Film von mir und meiner Familie in der Reihe „Good-bye Deutschland“.
Ich bin von Beruf „Meerjungfrau“, Stuntfrau, Schauspielerin und Sängerin. Vor rund einem Monat sind wir in den Norden von Teneriffa gezogen und dort fassen wir nun Fuß oder wie bei mir vielleicht passender: „Flosse“.
Wie kommt man dazu, sich mit diesem ungewöhnlichen Beruf ausgerechnet auf den Kanaren niederzulassen?
Zu den Kanarischen Inseln habe ich schon lange einen Bezug. Ich war oft mit meinen Eltern im Urlaub hier, meist auf Fuerteventura. Später kam ich auch alleine wieder. Die Hochzeitsreise mit meinem Mann führte uns nach Teneriffa und schon immer konnte ich mir gut vorstellen, in diesen Breitengraden zu leben. Das Wasser ist mein Element, der Atlantik ist perfekt und vor allem das Wetter ist ideal. Hier kann ich meinen Beruf fast das ganze Jahr über ausüben. Es gibt so viele Gelegenheiten am Meer, im Hotel- oder Privatpool, in einem der Wasserparks oder im privaten Kreis zu arbeiten. Als ich beispielsweise im Loro Parque war, hatte ich spontan den Wunsch im Haifischtunnel zu tauchen und mir die Besucher vom Wasser aus anzusehen. Aus diesen Gründen ist Teneriffa eine perfekte Plattform. Auch dem Budget der möglichen Kunden kommt das entgegen. Die Ostsee ist zum Beispiel sehr kalt und auch sehr gefährlich. Dort bekommt man keine Dreherlaubnis. Kürzlich habe ich Werbefotos in einem Tank bei Potsdam gemacht. Der kostet ohne Extras und Requisiten 10.000 Euro am Tag. Das können sich nur sehr große Firmen leisten und ist auch vom Ambiente eher künstlich.
Was genau machen Sie beruflich?
Das kann man nicht so eng definieren, denn ich bin sehr vielseitig. Ich bin Schauspielerin und Sängerin. In Deutschland habe ich unter anderem in Musicals wie „Cats“ „Phantom der Oper“ und in der „Rocky Horror Picture Show“ mitgewirkt. Ich bin Choreographin und kann mit den richtigen Leuten auch eine eigene Show auf die Beine stellen. Ich war in mehreren Krimis und anderen TV-Produktionen zu sehen.
Außerdem bin ich ausgebildete Stuntfrau. Als solche mache ich so ziemlich alles, außer, was mit Feuer oder Autos zu tun hat. Zusätzlich bin ich ausgebildete Rettungs-, Sicherungs- und Apnoe-Taucherin. In diesem Zusammenhang kam mir die Idee des Unterwassermodells. Ich bin nur eine von drei Stuntfrauen in Deutschland, die im Wasser arbeiten und in Bezug auf die Tiefe, gibt es außer mir sogar nur noch eine. Irgendwann hatte ich die Idee, mir aus Latex eine Flosse machen zu lassen und als Meerjungfrau aufzutreten. Das kam sehr gut an. Man kann mich für Werbespots oder Fotos buchen. Ich habe aber auch Kostüme für Kinder und mache Nixenpartys im kleinen, privaten Bereich oder auch in öffentlichen Bädern und Parks. Dabei singe ich Songs aus dem Musical „Arielle“. Vor kurzem hatte ich zum Beispiel im Auftrag des WDR ein Mädchen, das im Rahmen einer Wunscherfüllung für einen Tag eine Meerjungfrau sein wollte. Wir verbrachten sehr lustige Stunden miteinander, in denen ich ihr zeigte, wie man mit so einer Flosse schwimmen und sich im Wasser bewegen kann. Demnächst wird das Kapitel im WDR ausgestrahlt.
Oder man könnte mit mir Werbung für die unterschiedlichsten Bereiche machen. Zum Beispiel: Für einen Schuh – nach dem Motto: Dafür kommen sogar die Nixen aus dem Wasser. Für einen Cocktail, den die Meerjungfrau jeden Abend zum Sonnenuntergang am Strand nimmt, weil er so gut ist. Für Schwimmbadbauer – nach dem Motto: Unsere Pools überzeugen sogar Wassernixen. Für Kreditkarten, die man unter Wasser in einen Felsen steckt – sozusagen als: Unsere Karten will einfach jeder haben. Da gibt es noch ganz viele Möglichkeiten, die man mit Kreativität und Phantasie ausschöpfen kann.
Wer mich weniger romantisch, lieber als Stuntfrau haben möchte, kann mich natürlich auch buchen. Ich bin geübt bei Sprüngen und Stürzen ins Wasser, als Wasserleiche, eingeklemmte Person, die sich befreien muss, in Kampfszenen unter Wasser und wenn es sein muss, schlüpfe ich auch vom Taucheranzug ins Brautkleid. Für mich ist es wichtig, dass ich immer im Training bleibe. Ich tauche ohne Flasche bis zu zehn Meter tief oder 50 Meter lang. Ich kann meinen Atem 2,38 Minuten lang anhalten und auch diese Fähigkeit muss ständig trainiert werden.
Wie sieht denn so ein Arbeitsalltag in der Tiefe des Ozeans aus?
Ich gehe von 3 bis zu 40 Meter tief. Wenn es tief wird, kann ich natürlich nicht alleine abtauchen, sondern brauche einen Sicherheitstaucher, der mich begleitet. Wenn mir die Luft ausgeht, geb' ich ihm Handzeichen und er kommt dann zum Atemholen vorbei. Dann geht das Fotoshooting unter Wasser weiter. Das ist manchmal gar nicht so einfach, denn auch auf den Kanaren ist es in den tieferen Wasserschichten recht kalt und wenn man dann eine Stunde lang im 18 Grad kalten Wasser gearbeitet hat, weiß man, was man getan hat. Im Mai zum Beispiel bin ich für Fotoaufnahmen bei dem Wrack getaucht, das vor der Küste von Tabaiba im Ozean versenkt wurde. Das war echt spannend, aber auch auf Teneriffa ist der Atlantik in dieser Jahreszeit nur etwa 18 Grad kalt. In Bikini-Oberteil und Latex-Schwanz gehüllt, hat man keinerlei Schutz vor der Kälte und ein warmherziges Lächeln möchte der Fotograf auf der anderen Seite der Kamera ja auch noch sehen.
Gab es schon Momente, in denen Sie dachten, jetzt wird es brenzlig oder haben Sie Angst vor Haien?
Natürlich gibt es immer wieder Situationen, die gefährlich werden können. Einmal bin ich zum Beispiel mit meinem Schwanz hängen geblieben und kam da nicht mehr heraus. Der normale menschliche Instinkt sagt: „Nichts wie weg hier!“ Du bekommst Panik, verbrauchst noch mehr Sauerstoff und noch mehr Energie. Genau das soll aber nicht sein. Obwohl man natürlich in der Ausbildung auf so eine Lage vorbereitet wird, ist es dann doch wieder ganz anders, wenn sie tatsächlich eintritt. Dann muss man echt diszipliniert sein und gegen die eigenen Reflexe ankämpfen. Glücklicherweise ist es ja bei dem Schreck geblieben.
Angst habe ich eigentlich nicht. Ich habe ja schon erwähnt, dass ich schon in Haifischbecken geschwommen bin. Das war in Köln. Dort in einem Aquarium mit rund 1,5 Millionen Liter Salzwasser, umgeben von tropischen Fischen und Haien zu tauchen, war eine faszinierende Erfahrung. Ich habe mit Haien noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. In Köln hatten sie mehr Angst vor mir, als umgekehrt. Wahrscheinlich, weil ich die größere Flosse hatte. Im Meer schwimmen sie meistens davon und ich bin ja auch nicht so verrückt, sie zu verfolgen oder mit ihnen spielen zu wollen. Das klingt vielleicht seltsam, aber am meisten Angst habe ich unter Wasser vor Seeigeln. Der Auftrieb in der Tiefe ist sehr groß und als Modell muss ich ja ohne Gewichte arbeiten. Das heißt, ich muss mich immer irgendwo festhalten. Dabei habe ich nicht nur einmal, aus Versehen, in einen Seeigel gefasst und musste mir einen Stachel aus der Hand ziehen. Wenn ich beim Schwimmen einen Seeigel mit dem Rücken streife und die Stacheln stecken bleiben, müssen sie herausoperiert werden. Also ein echt großes Problem, das so ein kleiner Seeigel auslösen kann.
Wie reagieren die Menschen auf Sie, wenn sie plötzlich eine Meerjungfrau sehen?
Meistens bin ich ja angekündigt und werde mit Begeisterung empfangen. Als wir für „Good-Bye Deutschland“ gedreht haben, waren wir am Hafen und dort wussten die Menschen nichts von mir. Trotzdem haben wir total viel Spaß gehabt. An der Mole saßen junge Männer, die ihre Witze gemacht, mich fotografiert und beklatscht haben. Später bin ich dann zum Ufer geschwommen und dort badeten sehr viele Einheimische, vor allem Frauen. Das war lustig und rührend zugleich. Sie haben sich mit mir amüsiert und den Song von „Arielle“ mit mir gesungen. Das war echt schön. In meinem Job als Meerjungfrau bin ich eine so romantische und emotionale Figur. Das hat etwas Märchenhaftes und etwas von Träumen, die wahr werden. Das macht mir sehr viel Freude und ist der totale Kontrast zu meinem Leben als versierte Stuntfrau.
Wie kommt man eigentlich in die Serie „Good-bye Deutschland“? Über eine Bewerbung?
Normalerweise schon, aber bei mir ist das ein bisschen anders gelaufen. Ich habe für RTL in der neuen Serie „Jugendclub“ eine Sozialpädagogin gespielt. Die Serie läuft voraussichtlich im Oktober an. Bei den Dreharbeiten kamen auch meine Pläne mit dem Auswandern nach Teneriffa ins Gespräch. Plötzlich meldete sich Vox und fragte an, ob ich nicht an einer Reihe über starke Frauen mitarbeiten wolle. Das fand ich toll. Daraus wurde aber bis jetzt noch nichts, weil der Drehtermin verschoben wurde. Doch dann bot man mir „Good-bye Deutschland“ an und so haben das Vox-Team, der kanarische Produktionsleiter vor Ort, Frederik Franke, und ich wirklich eine lustige Zeit miteinander verbracht. Sie haben mich zum Beispiel auch bei einem Auftritt in den Martiánez-Schwimmbädern in Puerto de la Cruz begleitet.
Was sagen eigentlich Ihr Mann und Ihre Söhne dazu, eine Meerjungfrau zu Hause zu haben?
Die sind das natürlich gewohnt. Mein ältester Sohn, Markus, tritt mit seinen 13 Jahren in meine Fußstapfen. Er hatte bereits Rollen in TV und bei Werbespots. Auch mit dem Tauchen hat er angefangen und da haben wir sogar schon zusammen gearbeitet. Er ist das einzige Kind in Deutschland, das man als Unterwassermodell buchen kann. Mein jüngerer Sohn ist aus einem ganz anderen Kaliber. Er findet das alles „blöd“ und meint eher „Mami, ist dir das nicht peinlich mit Bikini und Schwanzflosse vor fremden Menschen rumzuschwimmen?“ Mein Mann hat genau gewusst, was er sich geangelt hat und wir sind ja beide froh, dass ich ausgerechnet ihm „ins Netz gegangen“ bin. Er ist Webmaster und Kameramann. Gerade in letzterer Funktion arbeiten wir oft zusammen. Das ist dann ideal.
Ansonsten freuen wir uns gerade daran, hier im Paradies an Land gegangen zu sein und gewöhnen uns an Land, Sprache und Leute. Die Canarios sind so nette Menschen und auch in der Schule wurden unsere beiden so gut aufgenommen, obwohl sie noch nicht viel Spanisch können. Wir genießen jetzt einfach die Insel im Wasser und an Land.
Natalie, wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie einen guten Start ins Inselleben. Bestimmt gibt es viele Einsatzmöglichkeiten für eine Meerjungfrau, wenn man vom Atlantik umgeben ist.
Der Sendetermin für „Good-Bye Deutschland“ mit Natalie Grande und ihrer Familie steht noch nicht fest. Die Leser des Kanaren Express werden aber rechtzeitig informiert, sobald die Ausstrahlung ansteht.
Wer eine Meerjungfrau gebrauchen kann und mit Natalie Grande Kontakt aufnehmen möchte, kann dies über ihre Webseite www.Meerjungfrau-Live.de tun.
Das Gespräch führte: Sabine Virgin