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Mein Mann und ich, wir hatten bereits in Kärnten ein solches Museum. Nach Teneriffa kamen wir damals regelmäßig, um uns zu erholen. Nachdem unsere Kinder groß sind und wir in Kärnten eigentlich nur im Sommer Saison hatten, kam uns irgendwann die Idee, noch einmal ganz neu anzufangen. Wir kauften eine Finca oberhalb von Icod de los Vinos und begannen sie zu renovieren. Schließlich hat man auf der Insel des ewigen Frühlings das ganze Jahr über Saison und gerade hier an der Nordküste haben wir im Sommer viele Festlandspanier, die vor der brütenden Hitze fliehen. In den Jahren 2005/2006 hatten wir, unterstützt von unserer Tochter und der Stadtverwaltung, eine Art Probelauf gemacht und im Kulturhaus Casa de Cáceres ausgestellt, um das Interesse zu testen. Die Resonanz war sehr positiv. Also haben wir 2006 „unsere Zelte“ auf Teneriffa aufgeschlagen. Bis jetzt haben wir in liebevoller Detailarbeit und mit unseren eigenen Händen den alten Stall, das Haupthaus der Finca und die Bodega restauriert und sie mit unseren Puppen zu neuem und einem ganz anderen Leben erweckt. Wir müssen auch betonen, dass die Stadt uns sehr unterstützt und sogar die Zusage, die Wegweiser zum Museum rechtzeitig zur Eröffnung aufzustellen, eingehalten hat.
Wenn man hier durch die Räume geht, taucht man ja nun wirklich in eine zauberhafte Welt ein. Man fühlt sich wie in einem Schwebezustand zwischen Kindheit und Kunst.
Ja das stimmt, unsere Puppenwelt ist für Kinder und Erwachsene gleichermaßen faszinierend. Das liegt daran, dass unsere Puppen größtenteils echte Künstlerpuppen aus dem 20. und 21. Jahrhundert sind. Wir haben ganze Kollektionen, Prachtstücke aus limitierten Auflagen und sogar Unikate. Ich selbst mache Puppen und mich fasziniert diese einzigartige Puppenwelt. Sie hat so viel Ausdruckskraft und so viele Facetten.
Puppen können auf so unterschiedliche Art gemacht werden. Wir haben welche aus Holz, andere aus Filz, Wachs oder Pappmaché. Aber die meisten sind aus Porzellan oder Vinyl. Es sind viele einzelne Arbeitsschritte nötig. Wenn man zum Beispiel einen Prozellankopf vorbereitet, dann muss jede einzelne Farbschicht getrennt neu gebrannt werden, das heißt der Grundton, die Wangenröte oder vielleicht noch ein paar Sommersprossen. Alles sind einzelne Etappen der Entstehungsgeschichte einer solchen Puppe. Wenn dann unter deinen Händen ein Gesicht entsteht, dem du durch deine eigene Phantasie Persönlichkeit verleihst, dann ist das wie ein kleines Wunder. Das Wunder der Puppengeburt sozusagen.
Sie haben hier eine Sammlung mit sehr unterschiedlichen Puppen zusammengetragen. Können Sie das ein bisschen erklären?
Tatsächlich sind bei uns derzeit Puppen von mehr als 50 verschiedenen Künstlern ausgestellt. Wenn man sich mit dieser Welt ein bisschen beschäftigt, dann erkennt man sehr schnell Eigenheiten und auch Entwicklungen. Am Anfang versuchten sich die Künstler vor allem an Reproduktionen alter Puppen. Die sind in der Regel rund zehn Prozent kleiner als das Original, weil man durch den Abguss für die Kopie Umfang verliert und das Porzellan beim Brennen schrumpft. Danach muss man sehr genau arbeiten, denn das ist das Geheimnis guter Reproduktionen von alten Puppen. Außerdem wurden früher zum Beispiel mehr „brave“ Puppen, meist mit einem Hauch romantischer Nostalgie produziert. Vor ungefähr zehn, fünfzehn Jahren tauchten die ersten frechen Puppen in der Szene auf. Moderne Puppen sozusagen, die auch mal böse gucken. Russen, Niederländer und Belgier modellieren gerne sehr skurrile und phantsievolle Figuren und haben eine ganz andere Art des Ausdrucks. Nur wenige Menschen wissen zum Beispiel, dass es hinter der Berliner Mauer, also in Ostdeutschland, sehr viele Puppenfabriken gab. Oft wussten das auch die Ostdeutschen nicht. Denn die Puppen fanden nie den Weg in die eigenen Geschäfte, sondern wurden für den Export in den Westen produziert. Manche Künstler sind mit dem Fall der Mauer erst richtig bekannt geworden. Wie zum Beispiel Christa Mann aus Sonneburg. Sie fertigt Puppen aus Filz und ist mit der frechen Eiscreme-Lilly bekannt geworden. Annette Himstedt war die erste Künstlerin, die an Stelle von Porzellan Vinyl genommen und erstmals limitierte Auflagen produziert hat. Die Puppen kosteten rund 500 Euro und waren damit für Sammler erschwinglich. Aus ihrer Kollektion haben wir fast alle Modelle. Genauso wie von Ute Kase-Lepp, von der wir alle Kollektionen haben. Diese Künstlerin schuf als Erste Puppen mit geöffnetem Mund. Das ist sehr schwierig und sie setzte damit neue Akzente. (Da gibt es die frechen Spielplatz-, die romantischen Rosen- oder die nostalgischen Blumenkinder. Es gibt viele Sammlerinnen und Sammler, die sich von der Welt der Puppen gefangen nehmen lassen.
Haben Sie denn in der Sammlung Lieblinge?
Nein, so würde ich das nicht sagen. Natürlich mögen wir Künstlerinnen, von denen wir ganze Kollektionen gesammelt haben sehr. Aber wir sind sehr offen und gerade die Vielfalt fasziniert uns. Da haben wir zum Beispiel einen fast lebensgroßen Zen-Mönch. Er stammt von Gerlinde Bartelt-Stelzer aus der Steiermark. Oder eine ebenso große barbusige, schneeweiße Elfe. Toll ist auch „Zoe“ von Anne Mitrani. Es ist eine lachende Puppe, die das Leben und die Lebensfreude verkörpert. Wer sie anschaut, lässt sich fast automatisch von ihrer Freude anstecken. Oder die Kewpies, ursprünglich eine Comic-Figur aus den USA. Sie verkörpert einen kleinen verschmitzten Schutzengel und hat winzige blaue Flügel. Schön sind auch der Bär Paddington, Alice im Wunderland oder der kleine Prinz von R. John Wright. Liebenswert sind die Puppen von Renate Hoeckh, darunter Puppen mit südamerikanischen Gesichter oder Christa Canzio mit einem phantastischen Eskimo-Paar. Dann gibt es noch Besonderheiten, wie Modelle von Regina Sandreuter, die eine eigene Gelenktechnik entwickelt hat, phantasievolle Puppen von Hella Hoffmann, Puppenkinder von Annette Himstedt, wo alle Einzelheiten und sogar Strümpfe und Schuhe aus Porzellan gegossen werden oder ein Beispiel der spanischen Tänzerinnen, die als Carabosse-Dolls bekannt wurden. Oder ein Schachspiel aus Porzellanpuppen, das die Schlacht der Bourbonen gegen die Habsburger nachstellt. Das sind einfach verrückte Kuriositäten.
Und dann haben wir zum Beispiel noch ganz „normale“ Puppen, die aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts stammen. Sie wurden uns von einer alten Dame gebracht. Ihr Vater arbeitete als Militärattaché und er brachte ihr von einer Reise eine Puppe mit. Plötzlich dachte jeder, sie würde Puppen mögen. So kamen immer mehr Puppen dazu, obwohl sie eigentlich gar nichts damit anfangen konnte. Jetzt hat sie uns ihre vollständige Sammlung überlassen. Es sind keine Künstlerpuppen, sondern sozusagen nostlagische Zeitzeugen vergangener Kindertage.
Wirkliche Lieblinge haben wir nicht – unsere Begeisterung gehört einfach der Welt der Puppen in ihren vielen Facetten.
Das Museum beherbergt aber nicht nur Puppen. Wenn man ein Stückchen durch den traumhaften Garten läuft erreicht man das ehemalige Bauernhaus, in dem heute die Teddys zu Hause sind.
Oh ja, die Teddys sind unsere zweite großen Liebe. Sie sind einfach die knuddelige Variante der Kindheitserinnerungen. Bestimmt hat jeder einmal solch ein Lieblingsbärchen gehabt, dem er seine kindlichen Träume und Probleme anvertraut hat. Alle unsere Teddys sind beweglich. Wir haben sogar einen Musikteddy, der mit dem Kopf wackelt. Oder einen Piraten-Teddy, einen Zahnweh-Teddy oder einen, der gerade Geige spielt. Dann gibt es welche in Seifenkisten, auf Traktoren oder die Heiligen Drei Könige als Teddybären. Auch das ist lustig.
Die Puppenmuseum-Finca Artlandya versteht sich als Aushängeschild der Puppenkünstler aus ganz Europa, will aber gleichzeitig Künstlern vor Ort mit Sonderausstellungen eine Plattform geben. Es ist eine spannende Mischung aus idyllischer Finca, einer zauberhaften Puppenwelt, knuddeligen Teddys und Kunst in der Natur. Das rührige Ehepaar Taupe sieht sich auch noch nicht am Ende. „Wir dachten, wir müssen einfach mal einen Termin für die Eröffnung festsetzen: Fertig sind wir aber noch lange nicht. Wir haben noch viel mehr Puppen, denen wir ein Puppenhaus bauen möchten“, erklärt Ingrid Taupe. Und auch zur Bewirtung der Besucher soll noch ein eigener Bereich entstehen. Zur Eröffnung strahlte das Wetter und so wünschen wir, dass dies ein gutes Omen für ein erfolgreiches, einzigartiges Museum ist.
Wer Artlandya, das Zuhause der Puppen und Teddys besuchen möchte, findet vom Drago Park in Icod de los Vinos, dank einer guten Ausschilderung, recht leicht in das oberhalb des Weinstädtchens gelegene Santa Bárbara. Das Museum öffnet täglich, außer montags von 10 bis 18 Uhr. Informationen findet man auch unter www.artlandya.com.
von Sabine Virgin