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Teneriffa ist für mich seit 23 Jahren ein Zufluchtsort, an dem ich meine Batterien auftanke, meine Gedanken schweifen lasse und meine Lebensgeister regelmäßig aufwecke. Und oft arbeite ich auch hier. Früher, kam ich oft mit Freundinnen. Gemeinsam mit unseren Kindern machten wir hier Urlaub und überstanden dabei so manche Lebens- und Liebeskrise. Teneriffa war für uns in jeder schwierigen Lebenssituation ein heilsames Pflaster. Das milde Klima, die netten Leute, das unkomplizierte Leben, all dies hat uns immer wieder inspiriert. Unsere Kinder sind praktisch mit Teneriffa groß geworden.
Was gefällt Ihnen an Teneriffa besonders?
Teneriffa ist eine ganz andere Welt und trotzdem ist man in Europa. Das heißt, es ist nicht alles ganz anders oder fremd. Man ist relativ schnell hier und hat keine praktischen Hürden zu überwinden, wie Währungen, Impfungen oder Ähnliches. Seit fünf Jahren habe ich eine feste Wohnung im Norden, in der ich mich sehr wohlfühle. Noch kann ich nicht immer hier sein, aber ich gönne mir diese Auszeit immer öfter und genieße es sehr. Eines Tages will ich ständig hier wohnen. Es ist einfach toll, wenn ich aus dem verregneten und kalten Deutschland komme und dann hier auf meiner Terrasse stehe. Bei einem lauen Lüftchen, schaue ich auf den blauen Atlantik, mein Herz geht auf und ich fühle mich gleich ganz anders.
Auch wenn meine Wohnung in der Nähe von Puerto de la Cruz ist, muss ich zugeben, dass meine ganz große Liebe Santa Cruz gehört. Ich finde diese Stadt einfach toll. Dort an der Plaza España zu sitzen, abwechselnd auf den künstlichen See und den Ozean zu schauen, die Menschen zu beobachten und dabei meinen Cortado zu schlürfen, weckt in mir unbeschreibliche Glückgefühle. Dazu die schönen alten Fassaden – für mich ist das perfekt. Auch das kulturelle Angebot ist genial. Es ist einfach immer etwas los.
Andrea, Sie schreiben die Geschichten anderer Frauen auf. Wie kommen Sie an die Geschichten und wie suchen Sie sie aus?
Wenn man mit offenen Augen und Ohren unterwegs ist und sich gerne mit Menschen unterhält, so wie ich, dann stößt man fast automatisch immer wieder auf interessante Erzählungen, die Stoff für meine Geschichten sein könnten. Manchmal gebe ich auch Anzeigen auf oder Menschen, die mich kennen, geben mir einen Tipp. Ich liebe einfach Menschen und interessiere mich für ihre Lebens- und Liebesgeschichten. Meine Artikel erscheinen in auflagenstarken deutschen Frauenzeitschriften. Frauen im Ausland sind dabei mein Schwerpunkt. Meine Geschichten spielen in Thailand, verschiedenen Teilen Europas, Südafrika oder in den USA. Ganz viele mittlerweile auch auf Teneriffa oder auf einer anderen Kanareninsel. Dadurch, dass es hier so viele Deutsche gibt, stößt man auch auf viele interessante Lebensformen und –läufe. Dazu ist die Kulisse für die Fotos herrlich. Blaues Meer, Sonne, Sand und Palmen, was gibt es Schöneres?
Was erzählen Sie, welche Facetten sind für Sie wichtig?
Ich will keine Sensationsstory. Mich interessiert viel mehr, das Innenleben der Frauen und ihre Beweggründe. Manchmal ist es die Liebe, die sie in die Fremde führt. Oft auch einfach, dass sie in ihrem Leben an einem Punkt angelangt sind, an dem sie die Weichen neu stellen. Manche Frauen führt das eben ins Ausland. Sie beschließen ihre Träume zu leben, anstatt nur vom Leben zu träumen. Das finde ich toll, mutig und begeisternd. Ich mag „Mut-mach-Geschichten“. Ich möchte meinen Leserinnen vermitteln, dass es nie zu spät ist, neue Wege zu gehen und Träume mit Leben zu füllen. Ich erzähle von starken Frauen, die es geschafft haben, ihr Leben nach ihrem eigenem „Strickmuster zu stricken“.
Das klingt alles ziemlich toll. Ist das denn wirklich so einfach und gibt es Menschen, die sie besonders beeindruckt haben?
Nein, natürlich ist nicht immer alles so leicht, wie es sich anhört. Im Gegenteil: Die meisten Frauen, über die ich schreibe, haben sich mit irgendetwas selbständig gemacht. Manchmal alleine, manchmal mit einem Partner und manchmal haben sie auch zu zweit angefangen und sind alleine zurückgeblieben. So wie Angelika, die im Norden Teneriffas das Tierhotel Lilly aufgemacht hat, wo Hund und Katze wunderbar untergebracht sind, wenn Frauchen und Herrchen in den Urlaub fahren wollen. Oder zum Beispiel Conny aus Bayern, die einer Urlaubsliebe ins Ausland gefolgt ist und aus ihrer Leidenschaft zum Kochen einen Beruf gemacht hat. Jetzt betreibt sie mit ihrem Mann Juan zusammen das Restaurant „La Carta“ in Puerto de la Cruz. Oder Kerstin und Tom, die sich eine ganz neue Existenz aufgebaut haben. Mit ihrem Gartenbaubetrieb Tenerife Verde legen sie Gärten an, kümmern sich um Garten und Haustechnik in ganzen Wohnanlagen oder um die Pflege und Wartung von Pools. Interessant ist auch, dass mir die meisten, die erfolgreich sind, erzählen, dass sie viel mehr arbeiten müssen als in Deutschland. Oft verdienen sie weniger und auch das soziale Netz fängt sie in Spanien nicht auf. Man muss etwas tun, wenn man leben will. Manche haben auch im Paradies Rückschläge oder Krisen gehabt und einen Ausweg gefunden. Trotzdem haben die meisten den Schritt nicht bereut. Dass man im Ausland nur mit noch mehr Fleiß, Engagement und vielleicht auch einem Quäntchen Glück weiterkommt, war den meisten klar. Aber sie beschäftigen sich jetzt mit etwas, das ihnen wirklich Freude macht. Sie leben auf einer Insel, auf der sie sich mit der Zeit zuhause fühlen. Und auch wenn man selbst meist wenig Zeit hat, um Strand und Sonne zu genießen, in einem stimmen die meisten überein: Das Lebensgefühl ist einfach anders und man kann in kürzerer Zeit seine Batterien wieder aufladen.
Ich schreibe auch Geschichten auf, in denen die Träume zerplatzt sind und eher in einem Desaster endeten. Allerdings erzählen das die Menschen ja nicht so oft und nicht so gerne. Aber ich habe auch schon Menschen getroffen, die Illusionen und Materielles verloren haben und auch das mit mir geteilt haben. Ich habe Menschen getroffen, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen und die nicht unbedingt in ihrem persönlichen Paradies gelandet sind. Meistens habe ich aber Beispiele die optimistisch stimmen und Mut machen.
Wie ist das, wenn Sie die Geschichte von jemandem aufschreiben? Wie läuft so etwas ab?
Also zunächst einmal unterhalte ich mich meist per Telefon mit den Frauen. Wenn wir dann beschließen, eine Geschichte zusammen zu machen, meldet sich der Fotograf und macht die Fotos.
Ich bin froh mit Tom Ojo, einem ehemaligen Hamburger Kameramann, einen hervorragenden Fotografen gefunden zu haben, der dank seiner Einfühlsamkeit und Professionalität den Menschen jede Angst vor der Kamera nimmt. Bei ihm vergessen die meisten einfach, was sie tun und die Fotos, werden richtig schön natürlich. Danach schreibe ich den Artikel. Wichtig ist mir, dass die Frauen den Text vor Veröffentlichung zu lesen bekommen. Wir sprechen auch ab, wie viel sie öffentlich von sich preisgeben wollen. Meine „Heldinnen“ haben auf jeden Fall ein Mitspracherecht.
Andrea, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns auf noch viele weitere spannende Geschichten von den Kanaren.
Übrigens wer auf den Kanaren lebt und eine interessante Geschichte zu erzählen hat oder jemanden kennt, der in Frage kommen könnte, kann sich jederzeit gerne mit Andrea Micus in Verbindung setzen. Sie freut sich auf viele Anregungen und Zuschriften. Email-Kontakt über MicusPr@t-online.de.
Von Sabine Virgen