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Frau Kurzweil, Sie waren in Deutschland sehr erfolgreich und dennoch haben Sie sich entschlossen nach Teneriffa zu ziehen?
Ja, eigentlich hatte ich das nicht vor, aber nach einem Urlaubsbesuch habe ich Teneriffa kennen und lieben gelernt und entschloss mich nach weiteren Besuchen, meinen Wohnsitz hierher zu verlegen. Natürlich war mir klar, dass ich mich in meinem Beruf auf der Insel nicht so schnell verwirklichen kann, da das damalige Arbeitsangebot in den nur wenigen handwerklichen Werkstätten nicht sehr weit gefächert war. Also begann ich vor jetzt mehr als 20 Jahren im Tourismusbereich in Puerto de la Cruz zu arbeiten. In einem dort etablierten Schmuck- und Antiquitätengeschäft riet man mir, mich mit eigener Werkstatt selbständig zu machen. Doch damals fehlte mir das nötige Kapital dazu und so war das Goldschmieden erst einmal auf ein Werkbrett im eigenen Hause verlegt. Ich gründete eine Familie und habe inzwischen vier Kinder. Obwohl mich das Familienleben ausfüllt, hat mich der Wunsch, kreativ in meinem Beruf zu arbeiten, nie verlassen.
Sie sind offiziell Kunsthandwerkerin auf den Kanaren, was braucht es dazu?
Man erhält nach entsprechenden theoretischen und praktischen Prüfungen, die vor einer ausgewählten Jury von Fachleuten der Inselregierung abgelegt werden, einen sogenannten „Carnet de Artesanía“. Das heißt, man meldet sich für ein bestimmtes Handwerk an, macht die entsprechenden Examen und legt selbstgefertigte Stücke vor. So kann man vor den Prüfern nachweisen, dass man sein Handwerk beherrscht. Dank meiner fundierten Ausbildung in der Goldschmiedeinnung Osnabrück und jahrelanger Berufserfahrung ging das ganz schnell. Außerdem muss man eine eigene Werkstatt nachweisen, in der man arbeitet. Seitdem bin ich offiziell anerkannt.
Welche Vorteile bringt der Kunsthandwerksausweis und wie kommen Sie mit den kanarischen Kollegen zurecht?
Wenn man an Kunsthandwerksmessen teilnehmen möchte, ist dieses „Carnet“ eine der Zulassungsbestimmungen. Gerade auf den großen Messen findet man aber ein gutes Publikum, um sich bekannt zu machen. Die Akzeptanz als Ausländer unter den hiesigen Kollegen stellt keinerlei Probleme dar. Natürlich gibt es Menschen, die eher zu Konkurrenzdenken neigen und andere, die eher auf Kameradschaft setzen. Das findet man überall und das hat überhaupt nichts mit der Nationalität zu tun. Im Gegenteil – vor kurzem wurde von Seiten der Inselregierung ein Projekt ins Leben gerufen, dem die Idee zugrunde lag Architekten, Designer und Kunsthandwerker zusammenzubringen und so Neues zu erschaffen. Aus dieser Initiative entstand eine Serie von Kunstobjekten in Zusammenarbeit mit Rafael Saigí aus La Orotava. Er ist Kunstdrechsler und erstellt sehr schöne ausgefallene Holzarbeiten. Seine natürlichen und warmen Stücke aus verschiedenen Holzarten erhalten durch die Kühle meiner Metallarbeiten einen interessanten Kontrast. Die ersten gemeinsamen Arbeiten werden wir auf den nächsten Messen präsentieren.
Welche Art von Kunsthandwerk üben Sie konkret aus?
Als Goldschmiedin arbeite ich mit allen klassischen Edelmetallen wie Gold, Silber und Platin. Doch bin ich ständig auf der Suche nach neuen Ideen und Materialien. So kam ich durch einen Kurs in Schmuckdesign und Goldschmiedetechniken, den ich vor einigen Jahren für das Rathaus in Icod de los Vinos gegeben habe, zu Aluminium, ein Metall, das eher aus dem Baubereich bekannt ist.
Aus einer Linie von individuellen Einzelstücken in Aluminium wurde mein neues Markenzeichen. Ich gestalte also Schmuck auf der Basis von recycelbaren Materialien unter der Verwendung von Edelsteinen und anderem. Das hat verschiedene Vorteile: Alu ist leicht und so kann ich große und auffällige Stücke herstellen, die trotzdem gut tragbar sind. Zudem ist es allergiefrei und die Oxydation ist minimal, sodass es nicht anläuft, wie wir es von Silber kennen. Außerdem gefällt mir der Gedanke, ein in der Schmuckwelt eher unbekanntes Material einer neuen Bestimmung zuzuführen. Es ist mir wichtig, dass sich meinen Schmuck jeder leisten kann und er nicht nur einem kleineren Kreis zugänglich ist. Jedes meiner Designs kann auf Anfrage auch zum Beispiel in Gold angefertigt werden. Ich finde, jeder Mensch ist ein Individuum und sollte die Möglichkeit haben, diese Individualität auch in einem einzigartigen Schmuckstück auszudrücken. Alle meine Stücke sind Unikate. Dieser Linie folge ich auch mit meiner neuesten Idee. Mit „Moments“ habe ich einen Ring geschaffen, auf dessen Oberseite ein kleiner „Schaukasten“ aus Plexiglas. ist. Dort kann man dann persönliche Dinge, wie den Ring der Urgroßmutter, ein Foto oder die Locke seines Kindes oder ähnliche sehr private Stücke einbauen. Damit stelle ich die Idee des klassischen Medaillons in einem neuen Kleid vor. In abgewandelter und abstrakterer Form setze ich zum Beispiel mit kleinen alltäglichen Dingen, wie einer Kaffeebohne, einer Feder oder einem Vulkanstein, Akzente hinter der kleinen Plexiglasscheibe. Ich liebe es generell Materialien zu mischen und auch aus Alltagsgegenständen etwas Neues zu machen. So erhalten die Dinge einen neuen Wert und Sinn. Das lässt meiner Kreativität viel Freiraum und sorgt immer wieder für Überraschungen. Auch werden in direkter Zusammenarbeit mit dem interessierten Kunden Ideen entwickelt, woraus sehr persönliche Stücke entstehen. Mein zweites großes Faible ist das Produktdesign. Also Dinge, die dekorativ sind und gleichzeitig einen funktionellen Zweck erfüllen.
Es ist bestimmt schwierig, sich als Künstler auf der Insel durchzusetzen. Welchen Weg gehen Sie, um dieses Ziel zu erreichen?
Obwohl mir Individualität in meiner Arbeit sehr wichtig ist, setze ich bei der Verwirklichung von Ideen gerne auf Gemeinschaft. Man findet mich vor allem auf den großen Kunsthandwerksmessen. Außerdem finden sich Künstler untereinander auch immer wieder zusammen. Deshalb habe ich mit anderen Künstlerinnen jetzt eine Interessengemeinschaft „Asociación Workshop Anchietta 66“ mit Sitz im Zentrum von La Laguna gegründet. Gemeinsam mit den Keramikdesignerinnen Andrea Keller Roth, Angelika Hohmann und der Töpferin Lola Nieves García bieten wir Kurse und Workshops an und man kann in unserem Atelier in der Calle Anchietta 66 in La Laguna eine Ausstellung unserer Arbeiten besichtigen oder auch individuell gestaltete Stücke nach eigenen Ideen in Auftrag geben. Diese Initiative ist ganz neu und ist aus dem Wunsch entstanden, die Arbeiten verschiedenster Künstler und Kunsthandwerker zu vereinigen. Wir schaffen dadurch die Möglichkeit, dass uns Interessenten auch außerhalb der Kunsthandwerksmessen finden können. Wir haben eine offene Werkstatt, über die jede von uns erreichbar ist. Man findet uns auch unter http://workshop66anchieta.blogspot.com oder mich unter http://analenaalex7.wordpress.com. Über diese Seiten kann man auch online mit uns Kontakt aufnehmen.
Wer sich für die künstlerischen Arbeiten von Claudia Kurzweil interessiert, findet sie vom 2. bis 4. September auf der Kunsthandwerksmesse in Pinolere bei La Orotava, auf der regionalen Kunsthandwerksmesse Anfang November in der Messehalle in Santa Cruz oder auf dem kanarischen Weihnachtsmarkt ab dem 2. Januar in der Hauptstadt und in La Laguna.
Außerdem ist eine Auswahl ihrer Arbeiten momentan im Rahmen einer Gemeinschaftsausstellung in der Kunstgalerie „Manufaktum“ in Puerto de la Cruz zu sehen, im Paseo Luis Lavaggi 1, gegenüber den öffentlichen Schwimmbäder.